Tschechien, Fotos
und Informationen
Kutná Hora und Sedlec
Beinhaus, Knochenkirche
Reiseberichte mit Bildern
Das Sedletz-Ossarium
Kunst aus Menschenknochen, gruselig, aber dennoch sehenswert.
Auf eine solche Idee muss man erst mal kommen!
Der Friedhof von Sedletz (tschechisch Sedlec), heute ein Ortsteil von
Kuttenberg (tschechisch Kutná Hora), östlich von Prag in Tschechien, war
beliebt, da hier im 13. Jahrhundert der Abt des Zisterzienser-Klosters
Sedletz Erde vom Hügel Golgata verstreute, die er aus
Jerusalem
mitgebracht hatte.
Als Pestopfer und Kriegsgefallene in größerer Zahl anfielen, blieb nichts
anderes übrig, als alte Gräber wiederzuverwenden.
So richtete man unter der Friedhofskapelle ein Beinhaus ein, das heute als
Sedletz-Beinhaus oder
Sedlec-Ossarium überregional bekannt ist.
Die menschlichen Gebeine, die im Friedhof ausgegraben wurden, um Platz für neue
Gräber zu schaffen, wurden zunächst im Gewölbe der
Allerheiligenkirche, der Friedhofskirche, gelagert.
Erst im 19. Jahrhundert, um 1870, bekam der böhmische Schreiner und
Holzschnitzer František Rint den Auftrag, die Knochen zu ordnen und daraus eine Inneneinrichtung herzustellen.
Seit hier František Rint die Gebeine von ca. 10 000 Menschen
zu einer kunstvollen Inneneinrichtung im alten Gewölbe der Friedhofskirche
verarbeitete, ist der Ort eine Touristenattraktion. Etwas ähnliches habe ich
nur einmal in Portugal gesehen: Dort gibt es in Évora in der
Region Alentejo
das Beinhaus
Capela dos Ossos (Kapelle der Knochen).
In dem Wappen der Familie Schwarzenberg, das natürlich ebenfalls aus
Menschenknochen gestaltet ist, erkennt man im Bild rechts unten
(In der Heraldik müsste man sagen »Links unten«, weil vom
Wappenträger aus gesehen) einen ebenfalls skelettierten Raben, der
einem auf dem Schlachtfeld gefallenen osmanischen Krieger ein Auge aushackt,
ein Symbol für den grausamen Krieg gegen die Osmanen im 16. Jahrhundert.
Vom Kronleuchter bis zum Wandschmuck ist alles aus menschlichen Gebeinen
hergestellt, was zur Inneneinrichtung des Gewölbes der Friedhofskapelle gehört.
In Nischen stehen zwei Monstranzen aus Menschenknochen, garniert mit Schädeln.
Ein Kreuz und das Christusmonogramm IHS aus Menschenknochen
Eine Monstranz
Menschliche Schädel in verschiedensten Konstellationen wurden in Kunstwerke
verwandelt. Das gesamte Gewölbe unter der Friedhofskirche von
Sedlec (Sedletz), heute Stadtteil des tschechischen Kutná Hora (Kuttenberg),
muss man mit seiner Gestaltung als Gesamtkunstwerk betrachten,
obwohl man über die öffentliche Zurschaustellung von Menschen-Skeletten
natürlich streiten kann. Als pietätvoll gegenüber den Verstorbenen kann man das
ja nicht gerade bezeichnen, eher als ein Gruselkabinett der besonderen Art.
Strafrechtlich käme bei uns wohl der Paragraph
Störung der Totenruhe
in Frage. Alle Taten dürften aber nach einem halben Jahrtausend nach dem
Ausgraben und 150 Jahre nach der Verarbeitung längst verjährt sein.
Die rechte Anordnung hat mich spontan an die Studentenverbindung
Skull & Bones
der amerikanischen Yale University erinnert, auch wenn die Knochenanordnung
etwas anders ist als deren Emblem.
An vielen Schädeln sind die Schädelnähte (Sutura) deutlich zu erkennen.
Es sind Verbindungsstellen aus Bindegewebe zwischen den Schädelknochen.
Bei der quer verlaufenden Schädelnaht oben handelt es sich um die Kreuznaht.
Die längs verlaufende nennt man Scheitelnaht.
Übertroffen wird diese Skelett-Ausstellung heutzutage von den umstrittenen Wanderausstellungen
Körperwelten
des Anatomen Gunther von Hagens, der nicht nur das Skelett, sondern auch die
Weichteile bei abgezogener Haut ausstellt, indem er sie mit
Plastination
haltbar macht. Bei diesem Verfahren wird die Zellflüssigkeit durch zunächst
flüssige Kunststoffe ersetzt, die in einer chemischen Reaktion das Gewebe
dauerhaft und sichtbar härten und erhalten.
Bei manchen Schädeln in Kutná Hora findet man Hinweise auf einen gewaltsamen Tod,
möglicherweise in den Hussiten-Kriegen 1421 bis 1424, in denen neben Schwertern
und Äxten auch Keulen, Dreschflegel und Mistgabeln zum Einsatz kamen.
Die Kerbe könnte von einem Schwert oder einer Axt verursacht worden sein.
Hier fehlt ein ganzes Teil des Gesichts, was auf rohe Gewalt hindeutet.
Rechts könnte es sich auch um eine medizinische Schädelöffnung handeln oder um
einen Schlag mit einer Keule. Teilweise kann man beginnende Knochenheilung
erkennen, was beweist, dass einige der Opfer die Verletzung längere Zeit
überlebt haben.
Engelchen im Kindesalter, meist als Putten bezeichnet, sitzen inmitten der
menschlichen Gebeine. Teilweise musizieren sie, wie das Engelchen mit der
Fanfare, teilweise hat man den Eindruck, sie spielen mit den Schädeln.
Angesichts der aufgeschichteten Schädelhaufen fühlt man sich in den Dimholt im
Herrn der Ringe
versetzt, wo Aragorn, Legolas und Gimli die Verfluchten des Gebirges auffordern,
ihnen gegen die Armeen Saurons aus Mordor zu helfen, und dabei fast von
rollenden Menschenschädeln überhäuft werden. Links ein Raumschmuck aus
Skelett-Teilen.
Eine Statue des gemarterten Jesus mit Dornenkrone verstärkt die düstere
Stimmung in der Gruft ...
... So wird es Zeit, umgeben vom
Tod,
die Treppe hinaufzusteigen, das güstere Gewölbe zu
verlassen und wieder ans Licht zu kommen.
Der heutige Bauzustand der Allerheiligenkirche (Friedhofskirche) in Sedlec
(Sedletz) stammt größtenteils aus dem 15. Jahrhundert.
Im frühen 18. Jahrhundert wurde ein Teil der Innenräume hin zum Spätbarock
umgestaltet. Da das Beinhaus viele Touristen
anzieht, ist das Kirchengebäude renoviert und in gutem Zustand.
Schon auf den Spitzen der Kirchtürme grüßen die an diesem Platz offenbar
allgegenwärtigen Totenköpfe und Knochen.
Die Klosterkirche Mariä Himmelfahrt in Sedlec (Sedletz)
Zum Zisterzienserkloster in Sedlec (Sedletz), einem Stadtteil von Kutná Hora
(Kuttenberg) gehört die Klosterkirche Mariä Himmelfahrt. Sie wurde 1280–1330
als fünfschiffige Basilika errichtet und 1421 von Hussiten zerstört.
Nachdem sie fast 300 Jahre als Ruine dastand, baute man sie 1699–1707 im
barockgotischen Stil wieder auf. Heute ist sie UNESCO-Weltkulturerbe.
Das barocke Hauptschiff ist schmal und atemberaubend hoch.
In der Kirche hängt ein Gemälde von Michael Willmann, das zeigt, wie man sich
im Jahr 1703 die Zerstörung des Klosters durch die Hussiten,
fast 300 Jahre vorher, vorstellte.
Es ließ sich leider nur sehr schlecht fotografieren.
Berühmt ist das Deckengemälde, das Johann Jakob Stevens von Steinfels
1706 fertigstellte. Es wird dominiert von Gott Vater, dem Sohn und dem Heiligen
Geist. Zur Rechten von Jesus tragen Engel ein schweres Kreuz. Zur Linken Gottes
stützen Engel die Erdkugel mit der durchsichtigen Himmelssphäre, die den
Tierkreis Zodiac trägt. Man hört immer wieder, dass die Kirche nicht wahrhaben
wollte, dass die Erde eine Kugel sei. Das ist so nicht richtig. Ihr ging es vor
allem darum, dass die Erde im Mittelpunkt steht, und die Sonne sich um die Erde
dreht, und das ist hier natürlich noch der Fall. Auch Anfang des
18. Jahrhunderts, also in der Neuzeit, hatte die kirchliche Inquisition
noch die Macht, anders denkende zu verbrennen.
![Skelett des Heiligen Felix in Sedlec (Sedletz) Skelett des Heiligen Felix in Sedlec (Sedletz)](heiliger-felix-P1240682.jpg)
Reliquien waren wichtig für ein Kloster und eine Wallfahrtskirche, vor allem
auch als Einnahmequelle. Ken Follett thematisiert das zum Beispiel in seinem
Buch
Die Säulen der Erde, in dem Prior Philip das Skelett des Heiligen Adolphus aus der brennenden Kirche
rettet. Im Spielfilm ist es nur der Schädel, der später sogar durch einen
falschen ersetzt wird, um den Weiterbau der Kirche zu ermöglichen.
Hier in der Wallfahrtskirche in Sedlec ist es das
Skelett des Heiligen Felix,
das Papst Benedikt XIV. im Jahr 1742 der Abtei zum 600. Gründungsjubiläum
stiftete. Leider konnte ich noch nicht herausfinden, um welchen Felix es sich
hier handelt.
In einem zweiten Reliquienschrein findet man die
Reliquien eines Heiligen Vincent,
eines römischen Märtyrers.
![Gemälde von Michael Willmann in Sedlec Gemälde von Michael Willmann in Sedlec](martyrium-P1240712.jpg)
Die Bedeutung der
Heiligenverehrung in früheren Jahrhunderten brachte
Peter Johann Brandl (Petr Brandl) Anfang des 18. Jahrhunderts in dem Bild
Die heiligen Schirmherren Böhmens (links) zum Ausdruck. Was wir heute zwar als wichtige Kulturgüter akzeptieren, aber je nach Einstellung als Mysterium, Legende oder gar Aberglauben sehen, war ein Jahrtausend lang von den Kirchen diktierte Realität, die keinen Widerspruch zuließ. Ein "Glaube" für den man tötete und Kriege führte. Rechts ein Gemälde von
Michael Willmann, wie er sich im 17. Jahrhundert das Martyrium des Heiligen Philipp und des Heiligen Jakob vorstellte. Ein Blick in eine erschreckende Welt und ein schreckliches Denken.
Die öffentliche Ausstellung von Gebeinen Verstorbener mag uns heute befremdlich vorkommen. In den zwei Jahrtausenden Kirchengeschichte arbeitete die Kirche aber oft mit Angst: Angst vor dem Tod, vor ewiger Verdammnis, vor dem Fegefeuer, der Hölle und vor Satan. Auch Dämonen mussten herhalten und nur Priester konnten die Geister austreiben. Mit Angst lassen sich Menschen beherrschen, aber seit der Aufklärung führen die Kirchen ein Rückzugsgefecht. Die Reformation wäre ein guter Anfang gewesen, statt dessen ruht sich auch die evangelische Kirche auf Martin Luther aus. Die nächste Reformation ist längst überfällig, man könnte auch von
Reformstau sprechen. Eine Liberalisierung der Gottesvorstellung und ein erneuerter Spiritismus könnte vielleicht den Schwund der Mitgliederzahlen stoppen oder sogar den Trend umkehren.
Auch in
Waldsassen in der bayerischen Oberpfalz sind Skelette von sogenannten Katakombenheiligen ausgestellt. Große Ängste können diese bei den modernen Menschen nicht mehr auslösen, aber gruselig ist's trotzdem.