Bei Gespenstern denkt man vor allem an düstere englische Landhäuser und Schlösser. Aber auch in deutschen Burgen spukt es, manchmal. Auch denkt man bei den Spukgeschichten ans Mittelalter, aber die Weiße Frau trat erst im 15. Jahrhundert das erste mal in Erscheinung, also in der frühen Neuzeit. Es wirkt fast wie eine Art Modeerscheinung, dass in den Schlössern und Burgen des Hochadels plötzlich Gespenster hausten. Solche Gruselgeschichten sprechen sich von alleine herum und bildeten schon damals sowas wie Wandermärchen oder Urbane Legenden, und brachten Prestigegewinn, neudeutsch Promotion. Wer im Gespräch ist, der ist wichtig, womit ist egal. So ist es heute noch. Vielleicht war das Auftauchen der Schlossgespenster auch eine Folge der Entmystifizierung der Natur durch die sich ankündigende Aufklärung und durch Alchemisten, Künstler und Forscher der Renaissance, wie
Leonardo da Vinci.
Die Weiße Frau
In unserer Gegend recht bekannt ist die
Weiße Frau, ein Gespenst das als Todesbote gilt. Sie beschränkt ihr Erscheinen vor allem auf die Adelssitze der Hohenzollern und gilt deshalb als deren Hausgespenst. Ihr Ursprung ist teilweise historisch verbürgt, teilweise legendenhaft ausgeschmückt:
Landgraf Ulrich I. von Leuchtenberg hatte eine Tochter und nannte sie Kunigunde. 1321 heiratete sie den Grafen Otto VI. von Orlamünde, einen Grafen des Hauses Orlamünde mit Sitz auf der
Plassenburg in Kulmbach und wurde damit
Kunigunde von Orlamünde. Otto starb 1340 und offiziell hatten sie keine Kinder, weshalb die Plassenburg damals an die Nürnberger Burggrafen fiel.
Inoffiziell, also in der Legende, hatten sie jedoch zwei Kinder, einen Sohn und eine Tochter. Als Kunigunde Witwe wurde, verliebte sie sich in den vierten Sohn des Nürnberger Burggrafen. Kein Wunder, wurde er doch
Albrecht der Schöne genannt. Auf ihre Anfrage ließ er ihr mitteilen, »dass er sie heiraten würde, wenn nicht vier Augen im Wege stünden«. Sie bezog die Nachricht auf ihre beiden Kinder und tötete sie, indem sie Nadeln in ihren Kopf stieß. Bei kleinen Kindern ist dies leicht möglich, da sich die Schädeldecke noch nicht ganz geschlossen hat. Oben am Hinterkopf befindet sich die Große Fontanelle, ein weicher Verschluss des Schädels, der sich erst nach zwei bis drei Jahren endgültig mit Knochen verschließt.
Schlimm genug, dass eine Mutter überhaupt so etwas tun kann, aber sie hat sich auch noch geirrt. Entweder war sie unzurechnungsfähig aus Liebe, oder, und das halte ich für wahrscheinlicher, einfach dumm. Das ist kein Wunder, versagte man damals Töchtern und Frauen jegliche Bildung mit der Begründung, dass sie für's Kinderkriegen und für den Haushalt keine Bildung bräuchten. In Wirklichkeit hatten bloß die Männer in ihrer Überheblichkeit Angst, durch intelligente Frauen ihre Überlegenheit zu verlieren. Albrecht der Schöne meinte mit den "vier Augen" oder "zwei Augenpaaren" jedenfalls die Augen seiner Eltern. Er hätte ja bloß mitzuteilen brauchen »Meine Eltern sind dagegen!«, aber nein, er war zwar "der Schöne", aber es scheint ihm doch auch etwas an Intelligenz gemangelt zu haben. Adlige Inzucht hat bestimmt auch Spuren hinterlassen. Vielleicht wollte die Legende auch nur beide verunglimpfen, durchaus möglich, dass die Geschichte aus diesem Grund nachträglich erfunden wurde. Für die meisten Leute erschien das Benehmen der Adligen sowieso etwas verrückt, viele hatten ja "einen Vogel" (für die Beizjagd, die Falknerei). Daraus entstand unser Schmähspruch »Du hast ja einen Vogel!«.
Die Legende von der Weißen Frau
Ursprünglich scheint der Dichter, Geschichtsforscher und kaiserliche Hofpfalzgraf
Kaspar Brusch der Urheber der Sage zu sein. Wie damals unter Intellektuellen üblich, nannte er sich latinisiert
Caspar Bruschius. In seiner
Chronologia Monasteriorum Germaniae praecipuorum schreibt er 1552, dass er die Leichen zweier fast unversehrter Kinder im Kloster Himmelkron fand. Wie er diese Kinderleichen in Verbindung mit Kunigunde brachte, konnte ich nicht herausfinden. Wahrscheinlich gab es davor auch schon mündlich überlieferte Gerüchte und Legenden. Anscheinend hat der Melkendorfer Pfarrer Johann Löer diese lateinische Schrift 1559 ins Deutsche übersetzt und den Bericht als wahr angenommen. Jedenfalls schreibt er in einer Chronik 1559: